Das Magazin der
Initiative Lebensmitteldose

Das Objekt der Begierde

Auf den ersten Blick haben eine Flasche Wein und eine Dose Ölsardinen nichts gemeinsam. Auf den zweiten schon: Gute Lagen und Jahrgänge sind begehrt, sie finden Liebhaber und Sammler, die sie wie Schätze hüten. Auch bei Jahrgangssardinen schauen Genießer nicht auf den Preis. Aber auf die Verpackung. Die muss schön sein!

von Silvia Meixner
Vergessen Sie alles, was Sie bisher über Dosensardinen wussten. Hier geht es nicht um Massenware aus dem Supermarkt. Hier geht es um Luxus. Jahrgangssardinen sind die Grands Crus der Fischwelt. Es sind Sardinen, die nur in ausgewählten Meeresgebieten gefangen, liebevoll per Hand entgrätet, gegart und anschließend vorsichtig in die Dose gelegt wurden. Dann gießt ein umsichtiger Mensch kostbares Olivenöl über sie und streut einen Hauch Salz darüber, bevor sich der Deckel für einige Jahre schließt. Deckel und Verpackung wurden im Idealfall von sardinophilen Künstlern gestaltet und Sammler warten jedes Jahr auf die neueste Kollektion.

„Jahrgangssardinen werden nur im September in Frankreich, Spanien und Portugal gefangen, dann ist ihre Qualität perfekt. Sie werden von Hand verarbeitet und nicht zu eng in der Dose gelagert, damit das Öl den Fisch noch gut umfließen kann“, sagt Noémie Causse. Sie ist Expertin in Sachen Jahrgangssardine. Ihre Großmutter hat Fisch auf dem Markt von Marseille verkauft, die Enkeltochter hat sich auf Dosenfisch spezialisiert. Ihr Vater kam vor mehr als 20 Jahren nach Berlin, blieb der Liebe wegen und eröffnete 1994 das Maître Philippe. Ein Feinschmeckerparadies, aus dem, als die Töchter einstiegen, Maître Philippe & Filles wurde. Tochter Noémie betreut das Online-Geschäft – und die Jahrgangssardinen.
Sie erzählt: „Eine Jahrgangssardine schmeckt verglichen mit einer normalen viel feiner. Durch das lange Einlegen in Öl werden die Gräten ganz zart, man schmeckt sie nicht. Wichtig ist, dass kaltgepresstes Olivenöl der ersten Pressung verwendet wird, denn bei Jahrgangssardinen wird es mitgegessen. Der zarte, weiche Fisch und das blumige, fruchtige Olivenöl gehen eine einmalige Verbindung ein, neue Aromen entstehen.“

Den Hype um den Dosenfisch gibt es hierzulande erst seit 1994. Davor war eine Dosensardine eine Dosensardine. Es gab sehr schlechte und sehr gute, aber die Qualitätsunterschiede interessierten allenfalls die Franzosen, Spanier und Portugiesen. Das sind traditionell die Länder, in denen viel Wert auf einen guten Dosenfisch gelegt wird. „Wir waren einer der ersten Händler, der die Jahrgangsware in Deutschland eingeführt hat“, sagt Noémie Causse. Mit Erfolg, wie begeisterte Kunden zeigen: „Die besten Sardinen, die es gibt“, schreibt User Moritz auf der Website von Maître Philippe & Filles. „Am besten, man bestellt gleich die doppelte Menge, die eine Hälfte wird gegessen, die andere gelagert. Machen Wein-Kenner auch nicht anders.“
„Die Verpackung wurde im Idealfall von sardinophilen Künstlern gestaltet und Sammler warten jedes Jahr auf die neueste Kollektion.“
Wie beim Wein gilt dann auch: je älter, desto besser. Ihren vollen Geschmack entfalten die Sardinen nach fünf bis acht, manche auch erst nach zehn Jahren. Während sie zu Hause weiter reifen, sollten die Dosenfische alle drei Monate umgedreht werden. So kann sich das Öl gut verteilen. „Dann schmelzen sie am Gaumen“, rät Noémie Clausse.

Und plötzlich scheinen Preise von 85 Euro für 17 Dosen – so viel kostet zum Beispiel die Kollektion „La fête des sardines“ des französischen Qualitätsherstellers La Belle Iloise – gar nicht hoch. Die Auflage ist „streng limitiert“. Warum sollte die künstliche Verknappung, wie sie bei Luxushandtaschen oder -schuhen funktioniert, nicht auch den Preis einer Fischdose in die Höhe katapultieren? Sechs bis 15 Euro kosten die kleinen Dosen einzeln, für besonders rare Exemplare bezahlen Sammler bis zu 100 Euro.
Eine Jahrgangssardine wird niemals in die Dose gequetscht, sie hat immer Platz.
Viele der Dosen sind kleine Kunstwerke und längst zu Sammlerstücken geworden. Besonders begehrt sind die Dosendesigns von La Perle des Dieux, einem Anbieter, dessen Sardinen direkt vor der Küste von Saint-Gilles-Croix-de-Vie, einer kleinen Gemeinde südwestlich von Nantes, gefischt werden. Das Unternehmen hat mit Delphine Cossais und Coralie Joulin sogar seine eigensaren „Haus-Illustratorinnen“, die jedes Jahr neue Dosendesigns erschaffen. Ihre Designs zeigen die beiden Markenbotschafterinnen Mademoiselle Perle und Mademoiselle Lulu: zwei junge Frauen, die die Eleganz und Raffinesse der La Perle des Dieux-Produkte perfekt zum Ausdruck bringen.

Auch Hans-Peter Wodarz, Spitzenkoch und Erlebnis-Gastronom („Palazzo“) gehört zu den Jahrgangssardinen-Liebhabern: „Die besten finde ich im KaDeWe in Berlin. Wichtig sind Produkt und Öl, da gibt es wie überall die Champions League und die Regionalliga. Es muss allerbestes Olivenöl sein. Er betont: „Für die Sardine ist die Dose perfekt“, und zieht einen Vergleich zum Wein: „Früher waren Weinflaschen langweilig, dann kamen Künstler auf die Idee, die Etiketten zu gestalten – und heute gibt es die schönsten Weinflaschen, die man sich vorstellen kann.“ Alles eine Frage der guten Ideen – der Rest findet sich. So wie Sardine und Dose.


Zu beziehen unter:

www.maitrephilippe.de
www.sardinophil.de
www.kadewe.de
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