Das Magazin der
Initiative Lebensmitteldose

Heimat im All

Sechs Monate war Matthias Maurer im All. Um seine kulinarische Versorgung hat man sich vorher im Saarland viele Gedanken gemacht. Vorbei sind die Tage, als Astronauten noch püriertes Fleisch aus der Tube quetschen mussten. Für den Wertstoff­kundler gab es echte Klassiker aus der Heimat. Entwickelt von renommierten Gastronomen wurde das „Soulfood von dehemm“ nicht in Tüten verpackt, sondern kam aus der Lebensmitteldose. Denn – sie gehört auch im Weltall zur ersten Wahl in Sachen sichere Lebensmittelverpackung.
 

Von Anna Harms

Wochenlange Vorbereitung, das Studieren von Vorgaben, Kochen am besten ohne Salz, aber mit mehr Aroma – denn im All schmeckt man weniger. Und dann die ganze Zeit die Ungewissheit: Wird es am Ende funktionieren oder gewinnt doch jemand anderes? Schaffen es die eigenen bis ins kleinste Detail geplanten Gerichte auf die ISS oder ist die eigene Kulinarik-­Mission gescheitert, noch bevor die Rakete starten kann?

 

Space Can

Beim Thema Astronautenversorgung wird wenig dem Zufall überlassen, und das aus gutem Grund. Ist ein Gericht zum Beispiel krümelig, dann können winzige Brocken in der Schwerelosigkeit zu Risiken werden. Sie können in Geräten landen oder von den Astronauten einge­ atmet werden. Deswegen gilt: Vorsicht ist geboten, natürlich auch bei der Verpackung. Für ISS­-Neuling Matthias Maurer hat man auf eine echte Weltall­-Institution zurückgegriffen.

 

Die ersten Lebensmitteldosen flogen bereits in den 1970er­-Jahren ins All. Dass auch bei der Maurer­Expedition die Wahl auf die Dosen fiel, hatte laut Sonja Brungs von der ESA vor allem praktische Gründe: „Die Dose hat sich schon früher bewährt. Das macht es leichter für uns. Das Essen lässt sich darin ganz einfach autoklavieren. Vom Prinzip funktioniert das wie bei Supermarkt­-Dosen: Sie werden erhitzt und haltbar gemacht.“

 

Die weitaus schwerere Frage lautete: Womit werden die Space­-Dosen befüllt? Mittlerweile gibt es für Astronauten fast alles, was es auf der Erde auch gibt: Gemüse und Desserts, sogar Milchprodukte, Mayonnaise und Gewürze – diese allerdings in flüssiger Form. Die Auswahl ist groß und auch die Weltraum­-Reisenden dürfen mitentscheiden.

 

Zwei Drittel der Versorgung für ESA­ Astronauten stammt von der NASA. Das letzte Drittel ist das so genannte Bonus-Essen. Einen Teil davon dürfen sich die Raumfahrer frei unter beste­henden Lebensmitteloptionen aussu­chen. Der andere Teil wird oft speziell für die Astronauten entwickelt. Oft sind es Gerichte aus der Heimat, die mit ins All reisen – im Falle von Matthias Maurer aus dem Saarland. Laut Sonja Brungs hat das einen bestimmten Grund: „Bonus-Essen hat auch eine psychologische Komponente. Das ist im Grunde Soul­ food, was den Astronauten guttun soll. Von daher steht der Geschmack im Vordergrund.“ Oder wie der Saarländer sagen würde: 

„Hauptsach, gudd gess.”

Für das perfekte Maurer­-Menü traten gleich zehn Gastronomen an, um den deutschen Astronauten im Weltall mit heimatlichen Speisen zu beglücken. Ausgerufen wurde dieser Wettstreit als Teil der Initiative „Genuss Region Saarland“. Durchsetzen konnte sich neben Kartoffelsuppe, Rehragout, Hoorische –Kartoffelklöße – und Rostigen Rittern noch ein weiterer Klassiker aus dem kleinsten Flächenland der Republik: Geheirade. Oder für Nicht­-Saarländer „Verheiratete“. Die kulinarische Eheschließung findet unkonventionell zu dritt statt: Salzkartoffeln, Mehlklöße und eine Speck­Rahm­-Sauce gehen gemeinsam den Bund auf dem Teller ein. Susanne Renk von der Tourismus Zentrale Saarland erklärt: „Geheirade sind ein typisches regionales Essen, das vor allem in Familien gegessen wird. Kinder mögen es sehr gerne und die Erinnerung an dieses ‚Kinderessen‘ prägt sicher viele Menschen hier in der Region.“

 

Speziell für Maurer neu erdacht hat das Traditionsrezept kein anderer als Guide­ Michelin­ Sternekoch Cliff Hämmerle. Er hat sich mit seinen Rezepten – genauso wie Christian Heinsdorf – im Weltraum­-Kochduell durchgesetzt. Aber nicht jeder Koch mit Sternen ist gleich­ zeitig auch ein Koch für die Sterne. Das All wirkt sich auf den Körper der Astronauten aus. Der Geschmackssinn verändert sich – er funktioniert schlechter. Alles muss intensiver schmecken. Der Knochenschwund ist beschleunigt. Des­wegen ist Salz eigentlich tabu. Laut Studien begünstigt es nämlich einen Abbau der Knochenmasse. Beim Bonus­-Essen drückt die ESA auch mal ein Auge zu. Es ist der Geschmack, der hier im Vordergrund steht. Doch Cliff Hämmerle hat sich der Herausforderung angenommen, das Geheimnis für seine salzfreien Geheirade: Reduktion. Also das Einkochen von Flüssigkeiten, um den Geschmack zu intensivieren. So hat Cliff Hämmerle mit viel Einfallsreichtum und Liebe zur saarländischen Küche das Duell um die Dose im All gewonnen. 

Kochen für die Sterne: Christian Heinsdorf (links) und Cliff Hämmerle (rechts)

Mehr über Space Can:

esa.int

 
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